Führung zwischen Erwartungen, Tempo und dem eigenen Leben: Gleichgewicht finden

Führungskräfte bewegen sich heute in einem Geflecht aus Anforderungen, das gleichzeitig herausfordert und verunsichern kann. Da ist die strategische Vorgabe der Organisation, die Dynamik des Teams und das eigene Bedürfnis nach einem stimmigen Leben. Viele beschreiben dieses Spannungsfeld weniger als Problem, sondern als Dauerzustand, eine Art Grundrauschen. Die Frage ist deshalb nicht: Wie überstehe ich das? Sondern: Wie bewege ich mich darin gesund und klar?

1. Resilienz: Belastungen benennen, bevor sie sich festsetzen

Resilienz ist kein heroisches Aushalten, sondern die Fähigkeit, innere Ordnung zu schaffen, während das Außen komplex bleibt. Psychologisch betrachtet beginnt sie mit dem Mut, Belastungen wahrzunehmen, statt sie zu übergehen. Das ist kein Defizit, sondern eine Voraussetzung für Selbstführung.

Hilfreich ist dabei:

  • Zwischen beeinflussbaren und nicht beeinflussbaren Faktoren zu unterscheiden.
  • Diese Klarheit wirkt entlastend und schafft Fokus.
  • Prioritäten als lebendige Größe zu verstehen.
    Nicht alles, was drängt, ist wichtig und nicht alles Wichtige drängt.
  • Frühe Warnsignale ernst zu nehmen.
    Gereiztheit, sinkende Konzentration oder ständige Gedankensprünge sind Hinweise und keine Schwäche.

Hier kann man von innerer Wachheit oder von psychischer Selbstklärung sprechen. Beides meint eine Haltung, die Realität nüchtern anerkennt und gleichzeitig Gestaltungsspielräume nutzt.

2. Reflexionsräume: Abstand, der Orientierung gibt

Komplexe Situationen werden selten deshalb belastend, weil wir zu wenig können, sondern weil wir zu nah dran sind. Abstand schafft Wahrnehmungstiefe. Ein neutraler Reflexionsraum, ob durch vertraute Personen oder professionelle Begleitung,  ermöglicht eine Art „innere Neuvermessung“.

Er hilft dabei:

  • Erwartungen zu sortieren,
  • Kommunikationsmuster zu erkennen,
  • Entscheidungen strukturiert vorzubereiten,
  • das eigene Wertefundament wieder freizulegen.

Beschreiben kann man das auch mit, „den Lärm zu reduzieren, um das Wesentliche zu hören“. Genau das geschieht, wenn Führungskräfte solche Räume bewusst nehmen.

3. Achtsamkeit: Präsenz als Haltung, nicht als Technik

Achtsamkeit ist weniger eine Methode, sondern ein bestimmter Umgang mit Aufmerksamkeit. Studien zeigen: Kurze Unterbrechungen wie z.B.  ein bewusster Atemzug, ein Moment Stille, ein klarer Meeting-Start, verändern die Qualität unserer Entscheidungen.

Es geht nicht darum, sich zu entspannen, sondern darum, wacher zu werden für das, was jetzt wirklich geschieht. So kann der Moment zum Lehrer werden.

Bewusste Aufmerksamkeitssteuerung ist ein praktikables Selbstführungsinstrument.

Beide Perspektiven treffen sich in der Annahme, dass gute Führung nicht getrieben wirkt, sondern gegenwärtig ist.

4. Grenzen: ein unscheinbares, aber zentrales Führungswerkzeug

Grenzen schaffen Orientierung: nach oben, nach unten und nach innen. Viele Überlastungen entstehen nicht durch zu viele Aufgaben, sondern durch unklare Zuständigkeiten und unausgesprochene Erwartungen.

Wesentlich sind drei Richtungen:

  • Nach oben: realistisch und transparent über Aufwand und Zeitbedarf sprechen.
  • Nach unten: Rollen, Prioritäten und Konsequenzen klar benennen.
  • Nach innen: bewusst entscheiden, wann Arbeit warten darf.

Grenzen sind keine Abwehr, sondern eine Form der Fürsorge – für sich selbst und das System, in dem man führt.

5. Gleichgewicht als Prozess: regelmäßige „innere Standortbestimmung“

Gleichgewicht in der Führung ist kein Zustand, den man einmal erreicht und dann besitzt. Es ist ein Rhythmus, eine Abfolge von kleinen Kurskorrekturen. Teams verändern sich. Erwartungen verändern sich. Und die eigene Lebenssituation ebenfalls.

Hilfreiche Fragen für diese innere Standortbestimmung sind:

  • Was ist gerade wirklich wesentlich?

  • Was kann abgegeben oder strukturiert übergeben werden?
  • Welche Belastungen trage ich nicht mehr – und seit wann nicht mehr?

Gleichgewicht entsteht, wenn Klarheit, Präsenz und Selbstverantwortung zusammenspielen.

PraxisTGK
 

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