Stress durch Beruf und Familie: …und dauernd plagt das schlechte Gewissen!

Bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie werden manche häufig vom schlechten Gewissen geplagt. Ein typisches Beispiel zeigt der Fall von Frau Schmidt.

Auf den letzten Drücker und völlig abgehetzt kommt Frau Schmidt in die Sitzung. Wortreich entschuldigt sie sich und schildert, warum sie so knapp dran ist. Natürlich sei kurz bevor sie eigentlich los wollte, noch ihr Kollege mit der Bitte zu ihr ins Büro gekommen, die Präsentation mit ihm durchzugehen. Und weil dieser Kollege ja auch mal fertig werden wolle, sei sie der Bitte nachgekommen.

Frau Schmidt wirkt unruhig und fahrig. Darauf angesprochen, bricht es aus ihr heraus:“ Ach! Es ist einfach im Moment alles ein bisschen viel.“ Ihre Kollegin sei im Urlaub und Frau Schmidt habe ihre Vertretung übernommen. Damit die Kollegin nicht nach ihrer Rückkehr ein einziges Chaos auf dem Tisch vorfindet, arbeite sie gewissenhaft alles ab. Blöd nur, dass ihre eigenen Aufgaben darunter leiden würden, die ja aber auch erledigt werden wollten. Zudem würden die Kinder gerade so viele Arbeiten schreiben und so sitze sie spätnachmittags mit an den Hausaufgaben und hilft beim Lernen. Morgen habe ihr Mann Geburtstag und der freue sich immer sehr, wenn sie schön kocht. „Hoffentlich klappt das morgen alles“, stöhnt sie entmutigt. Gleich darauf lächelt sie zaghaft und sagt:“Aber genau das ist ja immer mein Thema!“

 

Frau Schmidt kann anderen schlecht etwas abschlagen. Wenn sie mal „Nein“ zu etwas sagt, plagt sie sofort ein ungutes Gefühl und sie versucht den Wunsch oder das Anliegen doch zu ermöglichen. Egal, ob im Büro, zu Hause oder bei Freunden. Bei Kollegen oder der Familie ist Frau Schmidt deswegen sehr beliebt.

Menschen wie Frau Schmidt nehmen sich selbst nicht so wichtig. Sie passen sich lieber den Wünschen und Bedürfnissen der anderen an und freuen sich, wenn es denen gut geht.

Mit diesem inneren Antreiber „Mach es allen recht“ ist man tatsächlich sehr beliebt bei den meisten Leuten. Solche Menschen sind meist freundlich, geduldig und wirken sehr belastbar. Auch, wenn sie manchmal stöhnen, kann man sich doch auf sie verlassen. Sie sind sehr hilfsbereit und haben ein großes Einfühlungsvermögen, jedoch

  • fürchten sie, von anderen abgelehnt zu werden;
  • haben sie Angst, eigene Wünsche und Bedürfnisse zu äußern;
  • übernehmen sie die Verantwortung für das Gefühlsleben anderer Personen;
  • ist ihnen sehr wichtig, was andere von ihnen denken und
  • erwarten, dass andere ihre Wünsche ebenso „erspüren“ können, wie sie es meinen zu können.

 

Wenn jemand so wenig an sich selbst denkt, sondern in erster Linie zusieht, dass alle anderen zufrieden sind, kommt er schnell an seine Grenzen. Da es eigentlich immer jemanden gibt, dessen Bedürfnisse man (noch) nicht befriedigen konnte, entsteht ein dauerhaftes Gefühl der Unzulänglichkeit. Gedanken, wie z.B. „hätte ich die Kollegen mehr unterstützen können?“,“ für meinen Sohn hatte ich diese Woche kaum Zeit“ oder „was sollen die Leute denken, wenn ich nicht bald mal das Unkraut jäte?“ sind typisch. Im Büro plagt das schlechte Gewissen der Familie gegenüber, zu Hause die Gedanken an Unerledigtes im Büro.

Auf Dauer stellen sich Erschöpfung und Unruhe ein und man hat das Gefühl, nie richtig fertig zu werden. Nicht selten gesellen sich noch körperliche Symptome wie Kopf-, Rücken- oder Magenschmerzen dazu.

Um aus diesem Kreislauf herauszukommen, hilft:

  • „Nein“ sagen zu üben, auch wenn es anfangs schwer fällt;
  • eigene Wünsche und Bedürfnisse auszusprechen und nicht darauf zu hoffen, dass sie jemand erahnt;
  • sich selbst das Recht einzuräumen, an sich zu denken und
  • sich nicht für die Gefühle der anderen verantwortlich zu fühlen.

 

Einmal Hilfe anzunehmen oder sogar zu erbitten, statt sich selbst noch die Aufgaben der anderen aufzubürden, und sich nicht um alles selbst kümmern zu müssen ist ein Schlüssel auf dem Weg, Beruf und Familie dauerhaft bewältigen zu können.

Frau Schmidt machte den ersten Versuch gleich einen Tag nach der Sitzung, indem sie die Bitte ihres Chefs heute doch länger zu bleiben, ablehnte. „Wenn ich heute länger bleiben würde, müsste ich mich sehr abhetzen. Mein Mann hat heute Geburtstag und ich möchte in Ruhe alles vorbereiten, um den Abend mit ihm genießen zu können.“  Zu ihrer Verwunderung und großen Freude reagierte Frau Schmidts Chef gar nicht sauer, sondern sehr verständnisvoll. Dies ließ in ihr den Mut wachsen, häufiger für ihre Bedürfnisse einzustehen.

PraxisTGK
 

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