Lieber laut und deutlich, als scheinheilige Pseudoharmonie

Lieber Auseinandersetzung statt Pseudoharmonie

Kennen Sie das Gefühl, dass irgendetwas in der Luft liegt? Irgendwie brodelt es bei Ihrem Kollegen(-in)/Ihrer(m) Partner(-in).  Und merkwürdiger Weise haben Sie das Gefühl, dass es mit Ihnen zu tun hat. Doch wie bekommen Sie heraus, was es ist, ohne einen Streit zu provozieren? Einfach vorsichtig fragen?  Oder abwarten? Oder doch lieber schöntun und Themen vermeiden, die Ärger hervorrufen könnten?

Harmoniebedürftige Menschen neigen dazu, Streitigkeiten zu vermeiden. Doch unterschwellig brodelt es weiter.

„Bleiben Sie sachlich“, „Werden Sie nicht laut“, „Lassen Sie den anderen ausreden“, dies und vieles mehr raten die verschiedensten Konfliktratgeber. Es wird empfohlen, möglichst ruhig und sachlich zu sein, keine Verallgemeinerungen zu benutzen und fair zu bleiben.

Aber mal ehrlich: Wem gelingt das in einer konfliktbelasteten Situation? Und wann ist das wirklich sinnvoll? Wenn man so richtig sauer, wütend und enttäuscht ist, kann man sich selten sachlich ausdrücken. Dann kochen die Emotionen hoch und man möchte seinem Frust freien Lauf lassen.

Wer jedoch besonders kämpferisch streitet wird meist beleidigend, unfair und greift auf der persönlichen Ebene an. Bei dieser Art zu streiten geht es nicht um die Sache, sondern ums Rechthaben, ums dominieren.

Sehr desinteressiert wirkt Jemand, der sich sofort zurückzieht und von sich aus das Thema nicht mehr anspricht. Er/sie “sitzt“ den Konflikt aus. Völlig resigniert gibt der Gesprächspartner irgendwann auf.

Wer seine eigene Meinung oder seine Bedürfnisse ständig hinten anstellt und nachgibt, um „des lieben Frieden willen“, hat zwar schnell seine Ruhe, läuft aber Gefahr, dass die Unzufriedenheit immer größer wird. Solche Menschen nehmen ihre eigenen Bedürfnisse nicht ernst und fressen alles so lange in sich hinein, bis sie meinen, sich nur noch durch einen Rundum-Befreiungsschlag retten zu können.

Alle drei Arten sind für zwischenmenschliche Beziehungen nicht förderlich.

Wie streitet man nun also richtig? Hier ein paar Tipps:

  1. Sein Sie authentisch! Wer sich ärgert oder wütend, traurig, frustriert ist, sollte das auch sagen und zeigen. Zeigen meint, die Körpersprache sollte dem Inhalt des Gesagten entsprechen. Jemand, der lächelnd behauptet, er sei wütend, mildert seine eigene Aussage ab und er wird schlimmstenfalls nicht so richtig ernst genommen.
  2. Sagen Sie klar, was Sache ist und reden Sie nicht um den heißen Brei herum. Dann hat Ihr Gegenüber auch die Chance, Sie zu verstehen und wird nicht von der „hübschen Verpackung“ abgelenkt.
  3. Scheuen Sie sich nicht davor, von sich selbst zu reden. Manche befürchten den Vorwurf „Immer geht es nur um dich“. Bei einem Streit geht es ja aber nun mal auch um Ihre Bedürfnisse.
  4. Kombinieren Sie Ich-Botschaften mit Du-Botschaften. Reine Du-Botschaften (z.B. „Nie räumst du deine Sachen weg“, „Immer kommst du zu spät“) sind direkte Kritik und bewirken, dass das Gegenüber sofort in Abwehrhaltung geht. Das Ergebnis ist meist ein Hin und Her von gegenseitigen Vorwürfen. Besser ist die Kombination mit Ich-Botschaften: „Ich ärgere mich, dass du schon wieder deine Sachen nicht weggeräumt hast. Ich komme mir vor wie eine Putzfrau“, oder „wenn du immer zu spät kommst, habe ich das Gefühl, ich bin dir nicht wichtig genug“.
  5. Bewerten Sie Affekthandlungen nicht zu hoch. Schreien, toben, brüllen und heulen sind das „Gewitter, das die Luft reinigt“. Es wirkt wie eine Entladung. In der dann gereinigten Luft lassen sich leichter Lösungen finden, als wenn die Spannung ständig spürbar ist.
  6. Vielleicht platzt Ihnen einmal der Kragen und Ihre Emotionen kochen so hoch, dass Sie in diesem Moment nicht sachlich und souverän bleiben können. Entschuldigen Sie sich einfach danach für den heftigen Ausbruch und zeigen Sie dadurch Größe.

Einen handfesten Streit kann man jedoch vermeiden, wenn man es sich angewöhnt, Konflikte direkt anzusprechen. Aussagen wie z.B. „Ich habe das Gefühl, dass du verärgert bist“, oder „Ich bin mit der Entwicklung der Situation gerade sehr unzufrieden“ signalisieren dem Gegenüber, dass man selber gesprächsbereit ist und die Meinung des Anderen ernst nimmt.

Am wichtigsten ist jedoch, dass man sich nach einem Streit zusammensetzen kann und Lösungen sucht. Dabei ist es hilfreich, wenn sich alle Beteiligten zu dem Streitthema aus ihrer eigenen Sicht äußern können und ernsthaft versuchen, den Anderen zu verstehen. Dies gelingt, wenn man einmal richtig zuhört.

Bei der Schlichtung eines Streites kommt es nicht darauf an, den Anderen von der eigenen Meinung zu überzeugen, sondern aufzuzeigen, worum es geht und was einem wichtig ist. Manchmal ist die Lösung ein Kompromiss,  manchmal das Akzeptieren der anderen Meinung durch das Verstehen der Hintergründe und ein anderes Mal stellt man vielleicht fest, dass der Streit nur wegen Missverständnissen entstanden ist.

Sich zu streiten ist in unserer Gesellschaft sehr negativ belastet. Tatsächlich geht es beim Streiten doch aber darum, für die eigenen Bedürfnisse und Werte einzustehen. Sich selber in manchen Punkten wichtig zu nehmen, ist jedoch positiv.

Wenn ich mal so richtig sauer bin, schnappe ich mir meinen Hund, laufe mit ihm durch möglichst menschenleere Gegenden und schimpfe kräftig  vor mich hin, bis die schlimmste Wut verraucht ist. So entladen kann ich mich dann auf Gespräche einlassen.

PraxisTGK
 

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